Leberversagen
Diagnostik bei V.a. ALF/ ACLF
- Unterscheidung akutes (ALF) und Akut-auf-chronisches Leberversagen (ACLF), Anamneseerhebung:
- vorbestehende Steatosis, Fibrose, Alkoholkonsum, Ernährungszustand, psychiatr. Vorerkrankungen?
- Medikamentenanamnese (Paracetamol, Marcumar, Flupirtin, Drogen, Phytotherapeutika?)
- Pilzmahlzeit?
- Ungeschützter Geschlechtsverkehr, Piercing, Tattoo?
- Auslandsaufenthalt (Hep. A,B,E; Dengue)
- Hauteffloreszenzen (HSV, VZV)
- Chemotherapie (Rituximab)?
- Bei ALF: Zeit zwischen Beginn Ikterus und Beginn hepat. Encephalopathie
- hyperakut: 0-7 Tage
- akut: 8-28 Tage
- subakut: > 28 Tage
- Labor
- INR, Fibrinogen, Faktor II, Faktor V
- Bilirubin (direkt und indirekt)
- Ammoniak (arteriell messen!)
- Großes Blutbild (Blasten?)
- AST, ALT, GGT
- Kreatinin, Harnstoff
- Coeruloplasmin
- Hepatitis (A, B, C, (D), E)
- CMV-, EBV-, HHV6-, HSV, VZV, HIV
- Autoimmunantikörperdiagnostik: AMA, ANA, Anti-LKM, SLA, SLA, SMA
- Beta-HCG (falls Schwangerschaft nicht sicher auszuschließen)
- Quantitative Bestimmung Immunglobuline
- Sonographie/ Bildgebung
- Lebergröße, Parenchymdichte
- Hepatische Gefäße (Venen im PW-Doppler!)
- Gallenwegserweiterung
- portale Hypertension
- Nierengröße
- Lymphknotenvergrößerungen
- TTE zum Ausschluss Rechtsherzversagen
- Dringliche Kontakt zur Transplantzentrum für Tx-Evaluation, wenn
- INR > 1,5
- Hepatische Enzephalopathie
- ungünstige Ätiologie (z.B. M. Wilson)
ALF und ACLF
Akutes Leberversagen (ALF)
Definition
Das ALF ist eine akute Leberfunktionsstörung mit akut aufgetretener Symptomatik
- Koagulopathie
(INR > 1,5)
- Hepatischer Enzephalopathie
Epidemiologie und Ursachen
Das ALF ist in Europa und Deutschland eine seltene Erkrankung. Die häufigsten Ursachen in Europa sind die Einnahme hepatotoxischer Substanzen (Medikamente, Phytotherapeutika, Drogen, Pilze) und akute Virushepatitiden. Bei akutem Leberversagen sollte bereits frühzeitig Kontakt zu einem Transplantationszentrum aufgenommen werden.
Therapie
Frühzeitige Kontaktaufnahme und Rücksprache mit Transplantationszentrum. Siehe auch spezielle Therapien. Ein therapeutischer Plasmaaustausch erscheint sinnvoll zu sein (Larsen 2016). Spezielle Therapien sind in Abhängigkeit der Ursache indiziert. Bei Paracetamol-Intoxikation ist die frühzeitige Therapie mit N-Acetylcystein (NAC) notwendig. Auch beim Non-Paracetamol-ALF kann die NAC-Therapie das Transplantat-freie Überleben möglicherweise verbessern. Bei unklaren Fällen sollte daher immer eine NAC-Therapie begonnen werden. Die intensivmedizinische Therapie ist im weiteren supportiv. Hämodynamisch zeigt sich häufig ein Sepsis-ähnliches Bild, das eine Therapie mit Vasopressoren nötig macht. Die Therapie der hepatischen Enzephalopathie und des hepatorenalen Syndrom sind in eigenen Abschnitten erläutert.
Akut-auf-chronisches Leberversagen
Definition
Es existiert keine allgemein anerkannte Definition des ACLF. Allgemein akzeptiert ist eine akute Verschlechterung einer bestehenden Leberzirrhose (auch ohne vorbestehende Symptome) die zum Multiorganversagen führt.
Ursachen
Häufige Auslöser sind Infektionen, Blutungen (GI-Blutung, häufig aus Zusammenhang von Infekt und Blutung) sowie ein Second-Hit bei vorbestehender Leberschädigung (Alkoholexcess, Medikamente, virale Infektion)
Pathophysiologie und Therapie
Es zeigt sich ein septiformes Erkrankungsbild mit Hypotonie. Die intensivmedizinische Therapie ist supportiv und folgt den Maßgaben der Sepsistherapie. Komplikationen des Leberversagen sind häufig (HRS, Aszites) und sollten den Empfehlungen entsprechend behandelt werden.
Infektionen sind häufig Auslöser des ACLF oder treten sekundär auf. Hier gilt es mit besonderer Sorgfalt nach möglichen Infektfoci zu suchen. Gramnegative Erreger sind häufig. Gleichzeitig sind klassische Sepsis/SIRS Zeichen oft unspezifisch, so dass die Indikation antimikrobielle Therapie großzügig gestellt werden sollte.
Prognose
Der CLIF-C ACLF Score erlaubt eine Einschätzung der Prognose
Spezielle Therapien
- Paracetamol-Intoxikation
- Aktivkohle 1g/ kgKG p.o.
- NAC 150 mg/kg KG in 5% Glc über 1h, 50 mg/ kgKG über 4h, 6,25mg/ kgKG/h über 67h
- Faustregel bei 70 kg: 10 g ACC über 24h i.v.
- Akute Hepatitis B (Rücksprache Gastroenterologie!)
- Entecavir 0,5 mg/Tag
- Tenofovir 245 mg/Tag
- Lamivudin 100 mg/Tag
- Akute Herpes-Simplex-Virus-Hepatitis
- Aciclovir 3x10 mg/kg (Anpassung an Nierenfunktion)
- Budd-Chiari-Syndrom
- TIPPS
- M. Wilson
- Hämodialyse, Evaluation Lebertransplantation
- Autoimmunhepatitis
- Prednisolon 60 mg/d i.v.
- Amanita phalloides
- Aktivkohle 1g/ kgKG p.o.
- Cholestyramin
- Silibinin 20 mg/kg/d i.v., verteilt auf 4 Einzelgaben
Leberversagen Komplikationen
Aszites, Spontan bakterielle Peritonitis
Aszites
Aszitespunktion in der Regel bei neuem Aszites oder bekanntem Aszites und klinischer Verschlechterung zum Ausschluss einer spontan bakteriellen Peritonitis.
Aszitespunktion
Unter sterilen Kautelen Sonographie gesteuert (typischer Weise linker Unterbauch). Bei < 20.000 Thrombozyten Thrombozytentransfusion erwägen. In der Regel keine Gabe von Gerinnungsfaktoren vor Punktion (außer bei DIC).
Diagnostik
- Zellzahl mit Zelldifferenzierung
- Gesamteiweis im Aszites
- Albumin in Aszites und Serum
- Mikrobiologie: Beimpfung von 2 Paar Blutkulturflaschen mit 10-20ml Aszites pro Flasche UND natives Material (Rücksprache mit Mikrobiologie)
- Bei Malignitätsverdacht Probe an Pathologie
Ein Serum-Aszites-Albumingradient (SAAG) > 1,1 g/dL mit einer Eiweißkonzentration < 2,5 g/dL weist mit hoher Sicherheit auf eine portale Hypertension als Aszites Ursache hin.
Aszitestherapie
- Diuretikatherapie (Spironolacton - Beginn mit 100mg/d)
- Bei Large-Volume Parazentese (> 5L) 👉 Albuminsubstitution (6-8g/L)
Spontanbakterielle Peritonitis
Aszitespunktion mit > 250PMN/mm3
oder Gesamtzellzahl > 500/mm3
. In > 40%
der Fälle lässt sich mikrobiologisch kein Keim nachweisen.
Therapie der SBP
- Ambulant erworben: Cephalosporin 3a
- Nosokomial erworben: Meropenem
- Kontrollpunktion nach 48h
- Albumingabe (Tag 1. 1,5g/kg + Tag 3. 1g/kg)
Hepatische Enzephalopathie
Allgemeines
Bei chronischer Leberzirrhose treten häufig neurologische Auffälligkeiten auf die nach der West Haven Klassifikation als hepatische Enzephalopathie bezeichnet werden. Insbesondere bei akutem Leberversagen kann diese Enzephalopathie fulminant auftreten und mit einem Hirnödem und Einklemmung einhergehen (bei chronischer Verlauf eher untypisch). Bei der akuten Enzephalopathie ist die Aussagekraft der Blut-Ammoniak Spiegel höher als bei chronischem Verlauf (hier Ammoniakspiegel diagnostisch schwer verwertbar). Die Gefahr eines Hirnödems mit Einklemmung ist bei Ammoniakspiegeln von > 150µM/L deutlich erhöht.
Schweregrade West Haven Klassifikation
Stadium | Klinik |
---|---|
I | Beginnende Schläfrigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Probleme beim Lösen einfacher Rechenaufgaben sowie Störung der Feinmotorik, (beginnender Flapping-Tremor) |
II | Vermehrte Schläfrigkeit (Somnolenz), Apathie, Dysarthrie, eingeschränkte zeitliche Orientierung sowie beginnende EEG-Veränderungen |
III | Meist schlafender, jedoch erweckbarer Patient (Sopor), unzusammenhängende Sprache bei Erwecken, erhöhte Muskelspannung (Spastik), beginnender Foetor hepaticus |
IV | Koma hepaticum (Leberkoma), erloschene Korneal- und Muskeleigenreflexe, keine Reaktion auf Schmerzreize |
Medikamentöse Therapie
L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA) | 25g/24h (Perfusor) |
Zinksulfat (bei Zinkspiegel < 0,66μg/ml) | |
Lactulose (oral + Einlauf) | 3x 30 ml/d |
Rifaximin | 2 x 550 mg |
Keine Kalorien- oder Proteinrestriktion |
Hepatorenales-/Hepatopulmonales Syndrom
Hepatorenales Syndrom
Definition
- Zirrhose mit Aszites (oder alkoholische Steatohepatitis)
- Serumkreatinin > 1,5 mg/dl (> 133 mmol/l).
- Keine Besserung des Serumkreatinin auf Werte < 1,5 mg/dl nach mindestens zweitägiger Pausierung aller Diuretika und Volumenexpansion mit Albumin. Die empfohlene Albumindosierung beträgt 1 g/kg Körpergewicht pro Tag bis zu einem Maximum von 100 g/Tag.
- Ausschluss eines Schockgeschehens
- Keine laufende oder kürzlich erfolgte Therapie mit nephrotoxischen Medikamenten.
- Ausschluss einer parenchymatösen Nierenerkrankung (Keine Proteinurie > 500 mg/Tag und unauffälliges Urinsediment und keine Mikrohämaturie > 50 Erythrozyten/HPF und unauffällige Nierensonographie).
Therapie
- Albumingabe (für 2 Tage 1g/kg bis max. 100g/Tag)
- Terlipressingabe (0,85mg Kurzinfusion + 4,25mg über 24h als Perfusor
Hepatopulmonales Syndrom
Bei Leberzirrhose werden vasoaktive und proliferative Mediatoren ausgeschüttet, die zu einem Remodeling der Lungenstrombahn mit Gefäßumbau und -neubildung führen. Hierdurch kann eine respiratorische Insuffizienz mit intrapulmonalem Shunt auftreten.
Diagnostik
Charakteristisch ist eine Platypnoe (Oxygenierung verschlechtert sich im Sitzen im Vergleich zum Liegen durch Blutumverteilung in lungenabhängige Bereiche mit Zunahme des rechts-links Shunts). Die intrapulmonalen Gefäß- veränderungen mit Dilatation lassen sich in der Computertomographie häufig darstellen. Die Darstellung des intrapulmonalen Shunts ist mittels Echokardiographie möglich.
Therapie
Eine kausale Therapie besteht nicht. In der Regel verbessert sich die pulmonale Funktion nach Leber-Transplantation nach einigen Tagen. Zum Teil dauert der Gefäßumbau allerdings auch Wochen bis Monate