ARDS Initialtherapie

Akutes Atemnotsyndrom des Erwachsenen

Definition des ARDS

(Berlin-Definition 2012)

  • innerhalb 1 Woche nach Ereignis, neue bzw. verschlechterte resp. Symptome
  • bilaterale pulmonale Infiltrate
  • Symptome nicht allein durch Herzversagen oder Flüssigkeitsüberladung erklärt

Beatmung

Auf Grund der auftretenden Hypoxämie und Hyperkapnie im Rahmen des ARDS ist häufig eine künstliche Beatmung notwendig. Hierbei muss die Beatmung möglichst schonend erfolgen, um eine weitere Schädigung der Lunge durch hohe Beatmungsdrücke (Stress) und Überdehnung (Strain) zu verhindern. In der ARMA-Studie zeigte sich hierbei ein Überlebensvorteil bei einer Beatmung mit 6-(8)ml Tidalvolumen pro Kilogramm idealem Körpergewicht (und einem max. pPlat von 30mmHg), verglichen mit höheren Tidalvolumina (12ml/kgKG). Eine Ventilation mit noch niedrigeren (ultra-protektiv) Tidalvolumina scheint zumindest bei erhaltender Lungencompliance keinen Vorteil zur bringen (VT4COVID Trial)​. Eine Hyperkapnie bei reduzierten Tidalvolumina kann zum Schutz der Lunge toleriert werden (permissive Hyperkapnie). Insbesondere bei schwer geschädigter Lunge steht der ventilierte Anteil der Lunge (Baby Lung) aber in keinem Verhältnis zum Körpergewicht, so dass der Bezug des Tidalvolumens auf das Köpergewicht schon unter rein pathophysiologischen Überlegungen nur eingeschränkt verwendbar ist. Möglicherweise bietet hier der Bezug des Tidalvolumens auf die Lungencompliance (Driving Pressure) ergänzende Vorteile zur Titration des Atemzugvolumens. Eine retrospektive Analyse zeigte hier eine verringerte Lungenschädigung bei Werten des Driving Pressures (Plateaudruck – PEEP) < 14mbar.

Bei schwerem ARDS sollte ein höherer PEEP gewählt werden, um eine endexpiratorische Derekrutierung größerer Lungenareale zu vermeiden. Es existieren keine überzeugenden Studiendaten zu genauen Einstellalgorithmen des individuellen PEEP Wertes. Bei moderatem/schwerem ARDS sollten vermutlich PEEP-Werte zwischen 10-15mmHg eingestellt werden. Siehe auch Beatmung ARDS und PEEP

Spontanatmung und Nicht-invasive Beatmung

Die nicht-invasive Beatmung erhält die Spontanatmung, verhindert damit die Zwerchfellatrophie und vermeidet die Nebenwirkungen von Sedierung (Delir, Hämodynamik). Im Florali Trial zeigte sich ein Vorteil von Highflow-Sauerstofftherapie (HFNC) gegenüber CPAP bei Patienten mit respiratorischem Versagen. Die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass es vermutlich eine Subgruppe von Patienten gibt (High-Recruiter?), die von höheren PEEP-Werten (CPAP) profitierten – so dass aus unserer Sicht ein Wechsel zwischen HFNC und NIV ggf. mit wacher Bauchlagerung (insbesondere COVID-ARDS) sinnvoll erscheint. Im schweren/moderaten ARDS kann der Erhalt der Spontanatmung mit forcierter Atembemühung aber zur Erschöpfung des Patienten und möglicherweise auch zu einer weiteren Lungenschädigung führen. Insbesondere im schweren ARDS muss daher die Intubationsindikation immer kritisch geprüft werden.

Bauchlagerung

(PROSEVA-Studie 2013)

Bei allen ARDS-Patienten mit Horovitz-Index < 150 mmHg (bei einer FiO2 ≥ 0,6) und fehlenden absoluten Kontraindikationen (instabile HWS, nicht beherrschbarer ICP, Abdomen apertum und chir. Kontraindikationen.) Der Überlebensvorteil durch Bauchlagerung ist nicht mit der Verbesserung der Oxygenierung in Bauchlage assoziiert. Daher sollte die Bauchlagerung auch bei ausbleibender Oxygenierungs-verbesserung weiter durchgeführt werden.

Siehe auch: Standard Bauchlagerung

  • Dauer pro Anwendung für ≥ 16 h planen
  • Standard ist die vollständige Bauchlagerung (nicht 90° oder 135°)
  • Beendigung bei anhaltender Besserung der Oxygenierung (4h nach Rückenlage Horovitz-Index > 150 mmHg, PEEP < 10cmH20 und FiO2 < 0,6)

Steroidtherapie

Der Stellenwert der Steroidtherapie wird seit Erstbeschreibung des ARDS diskutiert. Im DEXA-ARDS Trial reduzierte eine Dexamethasontherapie (20mg/5Tage + 10mg/5Tage) die Beatmungsdauer und Mortalität bei ARDS Patienten (überwiegend pneumonisches ARDS). Die optimale Dosis, die Art des Steroids sowie die beste Behandlungsdauer sind aber nach wie vor unklar.

Beta-2-Sympathmimetika

Inhalative und intravenöse Beta-2-Sympatomimetika sollten zur Therapie des ARDS nicht eingesetzt werden (bzw. nur bei Nachweis von pulmonaler Obstruktion). In der vorzeitig abgebrochenen ALTA Studie (Futility) zeigte sich kein Vorteil inhalativer Beta-2-Sympatomimetika. In der ebenfalls abgebrochenen BALTI-II Studie (Sicherheitsbedenken) ergab sich kein Vorteil von intravenösen Beta-2-Sympatomimetika bei gleichzeitigem Verdacht auf eine nachteilige Wirkung (erhöhte Mortalität)

Relaxierung

Eine Relaxierung sollte auch bei schwerem ARDS in der Regel nicht erfolgen, da sich für die frühe Muskelrelaxierung kein Mortalitätsvorteil bei gleichzeitig erhöhtem Nebenwirkungsrisiko zeigte (ROSE Trial 2019). Bei Patienten mit exzessiver Spontanatmung besteht das Risiko für eine selbst-induzierte Lungenschädigung (P-SILI). Hier kann eine Muskelrelaxation in der Frühphase der Erkrankung (erste 48h) diskutiert werden. Da bisherige Studien mit Cis-Atracurium durchgeführt wurden und pleiotrope Effekte dieses Medikamentes möglich sind, solle die Muskelrelaxierung nach Expertenempfehlung mit einer Cis-Atracurium Dauerinfusion erfolgen.

Rechtsherzversagen/Cor pulmonale

Bei bis zu 22% der Patienten mit moderatem/schwerem ARDS tritt ein Cor pulmonale auf. Daher ist die Echokardiographie bei allen Patienten mit moderatem und schwerem ARDS obligat. Risikofaktoren für das ARDS assoziierte Cor Pulmonale sind Pneumonie, ein Driving Pressure > 18mmHg, eine P/F Ratio < 150mmHg und ein paCO2 > 48mmHg (je mehr Punkte positiv umsowahrscheinlicher). Bei Patienten mit Cor Pulmonale sollte der Einfluss des Driving Pressures, der Hyperkapnie und hoher PEEP Werte auf die Hämodynamik besonders genau evaluiert werden

Differentialdiagnostik bei ARDS

  • Objektivierung linkskardialer Füllungsdrücke (Echo, PICCO) für Ausschluss Lungenödem
  • Mikrobiologie mit respiratorischem Virenpanel/HIV zum Ausschluss viraler und atypischer Infektion
  • Evaluation seltener Ursachen (CT, pneumotoxische Medikamente, extrapulmonale Manifestation)
  • Pulmologisches Konsil, BAL mit Zytologie und ggf. Lungenbiopsie
  • Autoimmunantikörperbestimmung

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