Volumenreagibilität
Allgemeines
Definition
Volumenreagibilität meint, dass durch Erhöhung der Vorlast eine Erhöhung des kardialen Schlagvolumens erzielt werden kann. Ob eine Erhöhung des Schlagvolumens/ Herzzeitvolumens durch eine Infusionstherapie klinisch notwendig und sinnvoll ist, muss anhand klinischer Parameter beurteilt werden. Volumenreagibilität bedeutet nicht Hypovolämie! Es existieren abseits von pathophysiologischen Überlegen keine überzeugenden Studiendaten, die für die Steuerung der Volumentherapie anhand der Volumenreagibilität einen Überlebensvorteil zeigen konnten.
Volumenreagibilität und Flüssigkeitstherapie
Bei hämodynamischer Instabilität und offensichtlichem Flüssigkeitsverlust (z.B Blutung) bzw. in der Initialtherapie des septischen Schocks können Volumenersatzlösungen ohne weitere Prüfung der Volumenreagibilität eingesetzt werden (bis maximal 30 ml/kgKG)
. Während der Verabreichung dieser Initialtherapie muss eine klinische Beobachtung erfolgen; bei zunehmender Tachypnoe oder fallender Sauerstoffsättigung als Zeichen der pulmonalen Flüssigkeitsüberladung sollte die Infusionsrate reduziert werden.
Ansonsten sollten Volumenersatzlösungen in der Regel nur appliziert werden wenn (alle Punkte sollten zutreffen):
- eine Volumengabe bei dem betreffenden Patienten das Herzzeitvolumen steigert (Volumenreagibilität)
- Zeichen einer bestehenden/drohenden Makro/Mikrozirkulationsstörung vorliegen (hohes Laktat, Rekapillarisierungszeit > 3s, niedriger MAP/hoher Katecholaminbedarf, Hautmarmorierung oberhalb der Knie)
- die Vorteile einer Volumengabe vermutlich die Nachteile überwiegen (drohendes Lungenödem, Einschränkung des Gasaustausches, Abdominelles Kompartmentsyndrom)
Statische Vorlastparameter
Statische Vorlastparameter (ZVD, GEDV, PAOP, Cava-Durchmesser) sind zur Vorhersage der Volumenreagibilität in der Regel ungeeignet. Stattdessen sollten unter Beachtung der jeweiligen Limitationen dynamische Parameter (PPV/SVV, PLR) verwendet werden.
Puls/Schlagvolumenvarianz (PPV/SVV)
Eine Varianz > 12% sagt mit hoher Vorhersagekraft (AUC 0,9) eine Volumenreagibilität voraus.
Bei nachfolgenden Limitationen kann dieses Verfahren nicht oder nur eingeschränkt verwendet werden (Teboul, Crit Care). Ebenfalls hohe Vorhersagekraft besteht, wenn bei Erhöhung des Tidalvolumens von 6ml auf 8ml/KgKG die PPV um > 3,5% ansteigt (Tidal Volume Challenge). Nachfolgend sind die Limitationen der PPV/SVV aufgeführt.
Falsch POSITIV | Falsch NEGATIV | |
---|---|---|
niedrige HR/RR-Ratio (Bradykardie) | x | |
Niedriges Tidalvolumen | x | |
Hoher intraabdomineller Druck | x | |
Offener Thorax | x | |
Spontanatmung | x | x |
Unregelmäßiger Herzrhythmus (VHF) | x |
Passive Leg Raise Test
Verfahren die von der Herz-Lungen-Interaktion abhängig sind (ΔPPV/SVV/IVC), haben bei kritisch erkrankten Patienten auf Grund limitierender Faktoren (häufig Spontanatmung, Vorhofflimmern etc.) nur eine eingeschränkte Vorhersagekraft für Volumenreagibilität. Der sogenannte Passive Leg Raise
Test hat viele dieser Limitation nicht, ist aber für seine optimale Sensitivität auf eine Messung des Herzzeitvolumens angewiesen.
Mit Hilfe des Passive Leg Raise (PLR) Tests kann getestet werden, ob durch eine Erhöhung der kardialen Vorlast eine Erhöhung des Herzzeitvolumens (HZVs) erreicht werden kann. Durch die Mobilisation von Flüssigkeit aus dem unteren V. cava-Stromgebiet erfolgt ein reversibler Volumenbelastungstest. Zur validen Erfassung des HVZ-Anstieges muss während des PLRs ein kontinuierliches HZV-Monitoring erfolgen. Wird lediglich der arterielle Blutdruck als Surrogatparameter des HZVs genutzt, ist die Sensitivität des PLR-Tests deutlich eingeschränkt.
Ein Anstieg des nicht-indizierten Schlagvolumens (SV – PICCO) > 10%
(alternativ echokardiographisch Anstieg des aortalen VTI > 10%
) sagt mit hoher Vorhersagekraft (AUC 0,93)
eine Volumenreagibilität voraus.
Als Surrogatparameter bei fehlendem kontinuierlichem HZV-Monitoring kann eingeschränkt ein Anstieg der Pulsdruckdifferenz (Psys-Pdia) verwendet werden.
Grundregeln des PLR-Tests
- Beginn des Manövers in 45° Oberkörperhochlage
- Arterieller Druckaufnehmer wird durchgehend auf Herzhöhe positioniert (ins Bett legen bzw. am Oberarm des Patienten befestigen)
- Oberkörper-Flachlagerung und Beine-Hoch-Lagerung mit Hilfe der Bettmechanik (nicht durch direktes Anheben der Beine, weil hierdurch Schmerz und/ oder Aufwachreaktionen mit sympathomimetischer Antwort provoziert werden können)
- Direkte Erfassung des Schlagvolumens/ HZV (nicht den RR als Surrogatparameter verwenden)
- Reversibilitätsnachweis des Schlagvolumen-Anstiegs durch Kontrolle des wieder abnehmenden Schlagvolumens in der Ausgangsposition (Oberkörperhochlage 45°)
- CAVE: der HZV-Anstieg kann von kurzer Dauer sein, eine kontinuierliche Erfassung des HZV ist erforderlich