Lähmung

akute ohne sensibles Defizit, DD

👨‍⚕️ Top-Maßnahmen
Was würde der erfahrene Kliniker tun? Top-Maßnahmen auf der Intensivstation.
  1. Neurologisches Notfallkonsil veranlassen zur fachärztlichen Befunddokumentation und Differentialtherapie

  2. Guillain-Barré-Syndrom? Postinfektiöse Inflammation der Markscheiden mit initial sensiblem Ausfall und dann ggf. aufsteigenden Lähmungserscheinungen

  3. Poliomyelitis? Meningitis ohne Lähmungen, dann ggf. Symptombesserung und biphasisch dann Lähmungen (bei 1-2%)

  4. Transverse Myelitis? MRT-Untersuchung des Rückenmarks und Liquorpunkion

  5. Bei 2. – 4. ist Liquorbefund entscheidend; daher Punktion durchführen

  6. Schlangenbiss? Anamneseerhebung

  7. Botulismus? (absteigender Verlauf, autonome Beteiligung)

  8. Akute intermittierende Porphyrie? (Urin dunkel, abdominelle Schmerzen)

  9. Trauma?

  10. Injektion (schmerztherapeutisch)? Anamneseerhebung

Guillain-Barre-Syndrom (GBS)

Allgemeines

Das Guillian Barre Syndrom ist eine akute Polyradikoneuropathie, die häufig postinfektiös auftritt. Es werden verschiedene Subtypen und Varianten unterschieden. Als Diagnosekriterien für die sensorisch-motorische (am häufigsten in Europa/USA) und motorische Variante (eher Asien) sind folgende Punkte erforderlich:

  • Zunehmende Schwäche der Arme und Beine
  • Fehlende oder abgeschwächte tiefe Sehnenreflexe
  • Zunehmende Verschlechterung über nicht mehr als 4 Wochen

Bei 2/3 der Patienten geht den neurologischen Symptomen anamnestisch ein Infekt einige Tage bis mehrere Wochen (4-5) voraus. Insbesondere kommen in Frage: Campylobacter jejunui, Mykoplasma pneumoniae, CMV, EBV.

Diagnostik

Diagnostisch sind neben der klinischen Untersuchung, die Liquorpunktion, eine elektrophysiologische Untersuchung sowie ggf. eine weitere Bildgebung (CT,MRT) indiziert. Klassischerweise findet sich im Liquor eine zytoalbuminäre Dissoziation. Dabei zeigt sich im Liquor eine normale Zellzahl (bei >50/µl alternative Diagnose?) mit erhöhtem Liquorprotein. Insbesondere in der Frühphase kann der Liqourbefund noch normal sein (in 60-70% nach 1 Woche erhöht, nach 2 Wochen bei 80-90%)

Symptomatik

  • Symmetrische prox./dis. Paresen
  • Respiratorische Insuffizienz
  • Autonome Störungen (Brady/Tachykardie und Hypo/Hypertonie, häufig kurze Phasen, Ileus, Gastroparese, Blasenentleerungsstörungen)
  • Radikuläre Schmerzen
  • Delir/Halluzinationen

Therapie

Im intensivmedizinischen Kontext liegt ein Behandlungsschwerpunkt auf der Therapie kardiopulmonaler Komplikationen. Bei respiratorischer Erschöpfung erwägen von NIV-Therapie oder Intubation. Ca. 20% der GBS Patienten werden in der ersten Behandlungswoche beatmungspflichtig. Dabei gibt es keine validierten Marker für den richtigen Intubationszeitpunkt. Zum Teil wird proklamiert die Indikation an wiederholten Messungen der Vitalkapazität zu orientieren. Tatsächlich fehlen hierzu belastbare Daten, somit bleibt die Intubationsindikation eine klinische Entscheidung. Ein Kraftkraft < 3/5 an den oberen Extremitäten nach einer Woche sowie eine rasch fortschreitende Schwäche sind Risikofaktoren für eine prolongierte Beatmungsindikation ggf. mit Indikation zur Tracheotomie. Die autonome Dysregulation tritt bei Intensivpatienten mit GBS häufig auf. Hypertone und hypotone Phasen sind dabei oft nur kurzlebig und können in schnellem Wechsel auftreten. Ein klassischer Fehler ist dabei die aggressive Therapie hypertoner Phasen mit langwirksamen Antihypertonika. Hypo- und hypertone Phasen sollten soweit notwendig mit möglichst kurzwirksamen Medikamenten therapiert werden. Dabei bradykarisierende Medikamente und Interventionen meiden. Als “kausale” Therapie kommen IVIG und Plasmapherese zum Einsatz. Beide Modalitäten scheinen gleich wirksam. Die Kombination erbringt keine Vorteile. Bei rascher Verschlechterung kann die etwas schneller wirksame Plasmapherese evtl. die Intubation vermeiden.

Verlauf und Outcome

Symptomplateau meist nach 2 Wochen (max. 4. Wochen). 80% der Patienten erlangen Gehfähigkeit nach 40-70 Tagen wieder. 20% aber nach einem Jahr noch nicht. In der Regel 6 Monate (z. Teil bis 24M) bis maximale Symptomerholung. Prognose mEGOS Kalkulator.

Botulismus

Allgemeines

Bei Botulismus handelt es sich im eine durch Neurotoxine (Botulinumtoxin) hervorgerufene schlaffe, symmetrische Lähmung. Klassisch ist der bulbäre Beginn (4-Ds=

  • Diplopie
  • Dysarthrie
  • Dysphagie
  • Dysphonie

Das durch Clostridium botulinum produzierte Toxin (Serotypen BoT A-H) kann durch Nahrungsmittel, Wundbesiedelung oder bei Neugeborenen durch Darmbesiedelung in den Körper gelangen.

Theoretisch ist eine Aufnahme über die Lunge in Form eines Aerosol möglich, Dies kommt natürlicher Weise nicht vor (Biowaffe möglich).

Symptomatik

Bei Nahrungsmittelbotulismus ggf. Beginn mit gastrointestinalen Symptomen. Ansonsten Beginn mit okulomotorischen und bulbären Symptomen sowie autonomer Symptomatik mit Mydriasis und Mundtrockenheit. Danach absteigende Schwäche und sensible Ausfälle (z.T werden Parästhesien beschrieben). Bei 10% der Fälle Vigilanzstörung.

Diagnostik

Nachweis des Toxins in Stuhl, Erbrochenem, Nahrungsmittel

Therapie

Supportive intensivmedizinische Therapie bei Lähmung/Schwäche der Atemmuskulatur NIV oder invasive Beatmung. Infolge der bulbären Symptomatik kann eine Sicherung der Atemwege zum Aspirationsschutz notwendig sein. Eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmern scheint sinnvoll.

Als spezifische Maßnahme kann ein Antitoxin verabreicht werden. Die Gabe ist zeitkritisch und sollte innerhalb von 48h erfolgen. Bei Wundbotulismus muss ein Wunddebridement und eine Antibiose erfolgen. Da die Diagnose selten ist und häufig zu spät gestellt wird, wird das Gabefenster häufig verpasst. In diesem Fall muss der natürliche Verlauf abgewartet werden.

Das Wirkung des BoT kann bis zu 3 Monaten anhalten, der Rückgang der Paresen kann Monate in Anspruch nehmen.

Siehe auch: S1 Leitlinie: Botulismus der DGN 2024

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