Blutung (massive)

schwere Blutung, Massentransfusion

Allgemeines

Für das Management schwerer Blutungen und Massivtransfusionen existieren wenige Daten aus hochwertigen randomisierten Studien. Es existieren 2 sich zum Teil widersprechende Leitlinien für das Management perioperativer Blutungen bzw. massiver Blutung nach Trauma sowie die aktuelle Leitlinie der ESICM mit intensivmedizinischen Fokus. Darüber hinaus gibt die S3-Leitlinie Polytrauma Empfehlungen für blutende polytraumatisierte Patienten. Die postoperative Blutung manifestiert sich häufig als anhaltender Volumenbedarf (Hypotonie sobald Infusion stoppt). In der Initialphase können hier Drainagen, Abdomensonographie und auch CT-Abdomen trotz relevanter Blutung unauffällig sein!​

Intravasale Zugänge

In der Regel sind bei massiv blutenden kritisch erkrankten Patienten zentrale großlumige Infusionskatheter notwendig (Large-Bore). Wenn möglich sollten diese oberhalb des Zwerchfells angelegt werden. Das gilt besonders bei einer Blutungsquelle unterhalb des Zwerchfells (insbesondere abdominellen Blutungen). Ansonsten kann durch Verletzung, Abklemmen oder Kompression der V. cava im Rahmen der abdominellen Operation ein femoraler Zugang nutzlos werden. Vorsicht bei Verwendung von Shaldonkathetern in der V. subclavia. Je nach Modell sind diese relativ steif und können daher nach Subclavia Punktion im Verlauf abknicken und unbrauchbar werden, hier sind flexible Large-bore-Infusionskatheter besser geeignet.

Gerinnungsmonitoring und – management

Gerinnungsfaktoren gehen bei der massiven Blutung durch die Blutung selbst, die Verdünnung durch kristalloide/kolloidale Infusionslösungen sowie durch Gerinnungsaktivierung verloren. Fibrinogen erreicht dabei als einer der ersten Gerinnungsfaktoren kritisch niedrige Werte. Klassische Laborparameter (Quick, PTT, Fibrinogen) bilden die komplexen Veränderungen der Blutungs/Trauma-assoziierten Koagulopathie nur unzureichend ab und stehen in der Akutsituation nicht schnell genug zu Verfügung. Die viskoelastischen Verfahren zum Gerinnungsmonitoring (ROTEM/TEG) sind bettseitig verfügbar und bilden in der Theorie die Blutungs-assoziierten Gerinnungsveränderungen besser ab. Zu beachten ist allerdings, dass sowohl die Sensitivität und Spezifität sowie die Messgenauigkeit der Verfahren unzureichend untersucht sind. Hochwertige RCTs zum Vorteil eines ROTEM/TEG basierten Algorithmus fehlen und im direkten Vergleich widersprechen sich die Aussagen von ROTEM und TEG zum Teil. In der randomisierten ITACTIC Studie fand sich kein Vorteil eines ROTEM basierten Algorithmus verglichen mit einem empirischen Vorgehen. Eine Cochrane Analyse aus dem Jahr 2015 sprach sich sogar für eine ausschließliche Verwendung dieser Verfahren zu Forschungszwecken aus. Die S3-Leitlinie Polytrauma empfiehlt die Gerinnungstherapie nach ROTEM/TEG mit hohem Empfehlungsgrad insbesondere auf Grund von 2 RCTs mit hohem Bias-Risiko (Single Center, wenige Patienten). Wir empfehlen in der Akutsituation die Transfusion von TKs/EKs und FFPs und im weiteren Verlauf die Integration klassischer Laborparameter, dem klinischen Bild und soweit verfügbar ROTEM/TEG Parametern.

Vorgehen

Wir empfehlen die balancierte Transfusion von gefrorenem Frischplasma (FFP) und Erythrozytenkonzentraten (EKs) in einem Verhältnis von 1:1 bei gleichzeitig zurückhaltender Gabe von Kristalloiden um eine zunehmende Dilutionskoagulopathie zu verhindern. EKs und FFPs werden dabei initial eher nach hämodynamischer Situation als nach Laborparametern (Hb) substituiert. Im Verlauf erscheinen liberale Transfusionsziele (Hb 10-12mg/dl) ohne Vorteile gegenüber Hb-Zielwerten zwischen 7-9mg/dl (Restrict Trial).

Pro 4 EKs wird ca. 1 Thrombozytenkonzentrat benötigt um ein Abfallen der Thrombozyten zu verhindern. Wir empfehlen bei massiver Blutung die Gabe des ersten TKs bereits während der Transfusion der ersten 4 EKs zu beginnen (Datenlage schwach). Die initiale präemptive, empirische Gabe von Fibrinogen (CRYOSTAT2) und PPSB (PROCOAG) zeigte in Studien keinen Vorteil (Fibrinogen und PPSB) bzw. Hinweise auf Schädigung (PPSB – Thrombosen). Warum sich der theoretische Vorteil der Fibrinogengabe in der Praxis nicht zeigte wird derzeit evaluiert. Diskutiert werden die Applikationsform (Kryopräzipitat vs. Konzentrat), die Anwendung in einer falschen Population sowie Fibrinogen-induzierte schädigende Inflammationseffekte. Zusammenfassend sollte die präemptive Gabe von PPSB und Fibrinogen in der Initialphase kritisch überdacht werden.

Im weiteren Verlauf können Gerinnungsfaktoren je nach Laborwert substituiert werden. Dabei sind genaues Vorgehen sowie Zielwerte derzeit nicht in hochwertigen Studien untersucht. Die tabellarisch dargestellten Werte erscheinen vor dem Hintergrund der derzeitigen Datenlage als Zielparameter sinnvoll.

Bei polytraumatisierten Patienten scheint die frühzeitige Gabe von Tranexamsäure zu einem Überlebensvorteil zu führen (Crash2-Studie), wobei die Effektgröße in der modernen Traumversorgung in den Industrieländern eher gering erscheint (PATCH-Trauma). Wir empfehlen die initiale Gabe von 1-2g Tranexamsäure als (prolongierten) Bolus bzw. Kurzinfusion. Die prolongierte Gabe über Perfusor bindet Aufmerksamkeit und erscheint unter pathophysiologischen Gesichtspunkten fraglich. Ob nach Massentransfusion mit Austausch des Blutvolumens eine erneute Gabe sinnvoll ist, ist derzeit nicht untersucht.

Intubation und Hämodynamik

Die Intubation bei hämodynamisch instabilen Patienten ist risikoreich und sollte wenn möglich erst nach Beginn der hämodynamischen Stabilisierung und unter Wahl möglichst wenig kreislaufdepressiver Medikamente erfolgen (S-Ketamin). Eine Narkoseeinleitung mit Relaxation kann bei abdomineller Blutung durch Tonusverlust der Bauchwand zu einem weiteren kritischen Blutverlust führen.

Zielparameter Gerinnung bei massiver Blutung

Hämoglobin≥ 7-9 g/dl
Zielwert nach Beendigung der Therapie
Thrombozyten≥ 50.000-100.000 /μl
Fibrinogen150-200 mg/dl
Quick60-70%
Faktor13 30-60%
Calcium≥ 0.9 mmol/l

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