Akutes Koronarsyndrom

auf der Intensivstation

Siehe auch:​ ESC Leitlinie 2023

Akutes Koronarsyndrom

Das Akute Koronarsyndrom (ACS) beschreibt ein Spektrum von Erkrankungen. Abhängig von EKG-Befund, Klinik und Herzenzymbefund können nach Abschluss der Untersuchungen die Diagnosen Akuter Myokardinfarkt (STEMI und NSTEMI) oder instabile Angina Pectoris gestellt werden. Die Arbeitsdiagnose ACS wird in der Regel bei typischen Symptomen und EKG-Veränderungen gestellt.

Diagnostik

Klinische Symptome

> 80% der Patienten mit ACS präsentieren sich mit akuten Brust-schmerzen und –brennen. Weitere häufige Symptome sind Arm/Schulterschmerzen, epigastrische Schmerzen und Schwitzen sowie Dyspnoe, Übelkeit und Schmerzen zwischen der Schulterblättern. ​

EKG

Innerhalb von 10min noch medizinischem Erstkontakt sollte ein 12-Kanal EKG abgeleitet werden und die Diagnose STEMI bzw. V.a Hochrisiko-NSTEMI gestellt werden. Patienten mit STEMI/HR-NSTEMI werden umgehend einer Rekanalisationstherapie zugeführt. ​

Biomarker

Zur weiteren Differentialdiagnostik bei allen übrigen Patienten mit der Arbeitsdiagnose ACS kommt der Evaluation des hochsensitiven Troponin T/I eine entscheidende Bedeutung zu. Hierzu wird HS-TropT/I bei Aufnahme und nach 1h oder 2h bestimmt.​

Rapid-Rule In/Out HS-Troponin T/I​

Für den Diagnose-Algorithmus wird hochsensitives cardiales Troponin T/I initial (0h) und nach 1er bzw. 2 Stunden gemessen. Die genauen Troponin-Cutt-off-Werte hängen vom verwendeten Assay ab. Der Algorithmus ist nur für Patienten mit Präsentation eines ACS validiert. Bei kritisch erkrankten Patienten mit Sepsis, Stroke und perioperativem Myokardinfarkt sind die Algorithmen nicht validiert!​

graph TD S[Patient mit ACS und ohne Indikation für sofortige PCI​] S --> A["Initial sehr niedriges Trop​<br>oder​<br>Initial niedriges Trop-T​<br>und kein Anstieg nach 1/2h"] --> A1[Ausschluss ACS] S --> B["Patienten die​ keinem der beiden Pfade ​zuzuordnen sind"] --> B1["Beobachtung"​] S --> C["Initial hohes Trop​<br>oder​<br>Anstieg nach 1/2h"​] --> C1[Diagnose ACS]
0/1h​sehr niedrig​niedrig​​No 1h Δ​​hoch​​1 hΔ
hs-cTnT (Roche)​​<5​​<12​​<3​​≥52​​≥5
Hs-cTnI (Abott)​​<4​​<5​​<2​​≥64​​≥6​​
Sehr niedrig​​niedrig​​No 2h Δ​​hoch​​2h Δ
hs-cTnT (Roche)​​<5​​<14​​<4​​≥52​​≥10​
Hs-cTnI (Abott)​​<4​<6​​<2​​≥64​​≥ 15

Cut-offs in ng/ml. Die Werte für weitere Assays finden sich hier

Initiales Management​

Sobald die Arbeitsdiagnose ACS gestellt wurde (Symptome + EKG Veränderungen) erfolgt:

  • die Gabe von O2 bei einer SpO2< 90%
  • ggf. Opioidgabe zur Schmerztherapie
  • Antithrombotische Therapie (ASS Loading 150-300mg + unfraktioniertes Heparin (70-100 I.E./Kg max 5000 I.E.)

Antithrombotisches Management

Bei Verdacht auf ACS erhalten alle Patienten Aspirin und unfraktioniertes Heparin (STEMI und NSTE-ACS mit Angiographie <24h geplant). Ist bei NSTEMI eine Angiographie erst nach > 24h geplant erhalten diese Patienten Fondaparinux statt unfraktioniertem Heparin. Bei diesen Patienten muss ein UFH-Bolus zur PCI verabreicht werden! Nach PCI muss die Antikoagulation nicht weitergeführt werden.

Nach PCI wird bei ACS eine duale Thrombozytenagreggationshemmung mit Aspirin und Prasugrel (Ticagrelor bzw. Clopidgrel bei Kontraindikationen) für üblicherweise 12 Monate empfohlen. In Abhängigkeit von Blutungs-bzw. Ischämierisiko kann die Dauer auf 3-6 Monate duale Plättchenhemmung verkürzt werden.

Bei vorbestehender Indikation für eine Antikoagulation z.B. Vorhofflimmern mit CHA2DS2-Vasc-Score ≥1 (Männer) bzw. 2 (Frauen) ist eine Triple-Therapie (DOAK + ASS + P2Y) für 1 Woche empfohlen. Danach normalerweise für 12 Monate DOAK + 1 Thrombozyten-aggregationshemmer (vorzugsweise Clopidogrel).

Reperfusion

STEMI-Patienten

Bei Patienten mit STEMI wird die unverzügliche PCI angestrebt. Bei Verzögerung > 120 Minuten ist eine intravenöse Lysetherapie indiziert. Bei NSTEMI erfolgt die Reperfusion nach Risikoabschätzung sofort, eilig oder im Verlauf. Im kardiogenen Schock wir lediglich die Eröffnung der “Culprit-Läsion” durchgeführt (Culprit-Shock Trial)

NSTEMI

Bei Diagnose NSTEMI erfolgt je nach Risikoklassifikation eine sofortige, frühe oder elektive Angiographie.

Links/Rechtsschenkelblock

Der Vorhersagewert eines (neuen) Linksschenkelblockes für einen akuten myokardialen Gefäßverschluss ist im Gegensatz zu früheren Empfehlungen niedrig. Ein Linksschenkel-block ist per se somit kein STEMI Äquivalent. Zur Steigerung des Vorhersagewertes können die (modifizierten) Sgarbossa-Kriterien oder Barcelona-Kriterien verwendet werden.

Sowohl der Linksschenkel- als auch der Rechtsschenkelblock sollen bei klinischem Verdacht und anhaltenden ischämischen Beschwerden wie STEMI Patienten behandelt werden.

Typische Komplikationen nach Myokardinfarkt

  • Retroperitoneales Hämatom (nach PCI)
  • Reinfarkt
  • Papillarmuskelabriss mit Mitralklappeninsuffizienz
  • Ventrikel Septum Defekt
  • Ventrikelruptur

Definition des akuten Myokardinfarktes (4. Definition)

Anstieg oder Abfall eines kardialen Troponins (mind. 1 Wert > 99. Perzentile)​ und mindestens eines der nachfolgenden Symptome

  • Symptome der myokardialen Ischämie
  • Neue ischämische EKG Veränderungen
  • Neu entstehende, pathologische Q-Zacken
  • Wandbewegungsstörungen (Echo) oder Zeichen der Durchblutungsstörung (PET)
  • Thrombusnachweis in einem Koronargefäß

Troponinerhöhung auf ICU

Bei kritisch erkrankten Patienten liegen häufig Troponinerhöhungen ohne Verschluss eines Koronargefässes vor. Deshalb kommt im intensivmedizinischen Umfeld der kritischen Interpretationen erhöhter Troponinwerte eine besondere Bedeutung zu. Hierzu müssen klinische Anamnese, EKG, Echokardiographie und dynamischer Troponinverlauf in die Interpretation einbezogen werden. Die 1-/2h Diagnose-Algorithmen (Rapid Rule Out) sind für diese Patientengruppe nicht validiert.

Perioperative Myokardschädigung/Infarkt

In der perioperativen Phase ist die Detektion und Differentialdiagnostik von Myokardischämien und –infarkten häufig erschwert. Zum einen sind die Patienten auf Grund von Analgetika/Narkosemedikation häufig asymptomatisch zum anderen ist die Unterscheidung von Gefäßverschlüssen (Myokardinfarkt Typ I) von hämodynamischen Infarkten (Myokardinfarkt Typ II) erschwert. Die perioperative Troponinbestimmung (prä- post-OP) kann die Differentialdiagnostik erleichtern. Ein Algorithmus zur Behandlung und Differentialdiagnostik der ESC ist nachfolgend dargestellt.

graph TD S[hsTroponin ⬆️] --> A[Chronische Erhöhung​] S --> B[Akute Erhöhung = PMI] B --> D[<table><tr><th colspan='4'>Differentialdiagnostik PMI​</th></tr><tr><th>Type I MI</th><th>Type II MI</th><th>Tachyarrhythmie</th><th>akute<br>Herzinsuffizienz</th></tr><tr><td>Atherothrombose</td><td>Missverhältnis Angebot<br>Nachfrage Hypotension,<br>Anämie?</td><td>Mismatch<br>Angebot/Nachfrage</td><td></td></tr></table>] D --> E[12-Kanal EKG, Symptome, Hb] E --> F[ST-Hebung/Senkung oder Brutschmerz] F -->|Ja| G["Anämie?"] F -->|nein| H[Transthorakales Echo] --> I[andere kardiale Ursache] I --> J[nicht kardiale Ursache] --> L["Hb <8,0g/dl​<br>Hypotonie (Z.n?)"] I --> K[Tachyarrhytmie​<br>Akute Herzinsuffizienz​<br>Aortenklappenstenose] G --> M[Typ II MI] --> O[Transfusion, Reevaluation] G --> N[Typ I MI] --> P[Koronarangiographie,<br>Aspirin,<br>Statin,<br>Monitoring] linkStyle 5,10,11 stroke-width:2px,fill:none,stroke:green; linkStyle 6,8,13 stroke-width:2px,fill:none,stroke:red;

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